7. Oktober 2007

Troubled Gender - für SIE und IHN



In wenigen Bereichen wird eine so starke Unterscheidung zwischen Frauen und Männern getroffen wie bei Parfüm. In Geschäften befinden sich Damendüfte und Herrendüfte auf unterschiedlichen Seiten des Ladens. Auch wenn es ein Parfüm in einer männlichen und einer weiblichen Version gibt, stehen sie nicht zusammen. Wenige Parfüms verzichten darauf, das Geschlecht des Zielpublikums zu benennen. Bei denen die es doch tun, ist das Geschlecht durch die Form des Flakons oder durch Allgemeinwissen ersichtlich. Ersteres ist der Fall bei Anna Sui, letzteres bei Irisch Moos.

Diese klare Unterscheidung hat es nicht immer gegeben. 4711 galt zunächst als Duft für Männer und Frauen. Sowohl die Mätressen Ludwigs XIV. als auch Napoleon haben es benutzt.

Man braucht aber gar nicht so weit zurück zu schauen um die Kontingenz der Aufteilung in Damen- und Herrendüften zu erkennen. Die Mitte der 1990er waren eine Zeit der Uneindeutigkeiten. Calvin Klein begann 1993 Obsession und Obsession for Men – Parfüms die es schon seit zehn Jahren gab – mit demselben Model zu bewerben. Dieses Model war geschlechtlich nicht festzumachen. Kate Moss war eine Frau trat aber auf wie ein Mann.

Werbung für Herrendüfte erzählt die Geschichte von Männern, die durch den Gebrauch von Parfüm unwiderstehlich werden. Dafür muss sowohl eine Frau als Lustobjekt als auch ein Mann als Identifikationsfigur anwesend sein. Auf den ersten Blick sticht die Anzeige für Obsession for Men heraus, weil der männliche Protagonist fehlt. Auf den zweiten Blick revidiert sich diese Lesart: Kate Moss ist zugleich die männliche Identifikationsfigur und das weibliche Lustobjekt. Die Anzeige zerstört die Heterogenität des Zielpublikums, weil sie das gleiche Model zeigt wie die Anzeige für den Damenduft. Sie zerstört aber darüber hinaus auch die Ordnung von männlichem aktiven Subjekt und passiven weiblichen Objekt, die konstitutiv nicht nur für Werbung von Herrendüften ist.

Für Calvin Klein war es konsequent mit CK one als nächstes einen Unisexduft heraus zu bringen. Dies geschah 1995. Der Name war Programm: nicht zwei sondern eins. Der Erfolg brachte mit CK be einen weiteren Unisexduft.

Die liberale Mitte der 1990er fand ein Ende. Die Homoehe auf US-Bundesebene scheiterte 1996, George W. Bush wurde Präsident im folgenden Jahr und "Abstinence Only"-Programme ersetzten "Safer Sex". Passenderweise wurden neue Calvin Klein Parfüms wieder in zwei Versionen gelauncht. Heute wird CK one bei Douglas in Deutschland zwar als unisex bezeichnet aber unter Damendüften geführt. Das Parfüm machte also die gleiche Reise vom undefinierten zum weiblichen wie 4711 zuvor.

Ob ein Produkt in einer oder in zwei Versionen gelauncht wird, hängt letztendlich vom Marketing des Unternehmens ab. Diese Entscheidung unterliegt also einer gewissen Willkür. Darüber hinaus wird die Unterscheidung in Damen- und Herrendüfte aber ständig dadurch in Frage gestellt, dass Menschen automatisch auf der falschen Seite des Geschäftes landen: Heterosexuelle Männer werden von weiblichem Duft angezogen, heterosexuelle Frauen von männlichem Duft. Was wir auf unserer Haut wollen, ist nicht das was uns attraktiv macht für andere. Eine Frau beschreibt in einem Parfümforum die Wirkung von männlichem Parfüm als "the experience of a comforting smell of a man you carry along with you all day."

Hersteller begegnen dem weiblichen Drang zum männlichen Duft, indem sie Damenparfüms Moschus beimischen und umgekehrt, indem sie Herrenparfüms Blumen und Früchte beimischen – ansonsten blieben sie wahrscheinlich auf ihren Produkten sitzen. Zeitgenössische Parfüms für Männer und Frauen sind also nominell unterschiedlicher als ihr Geruch.

Was im Geschäft passiert wiederholt sich zu Hause im Badezimmer. Die Hand landet beim Flakon des Partners. Bei Parfüms, die es nur für ein Geschlecht gibt, macht das Verlangen nach dem Duft des anderen den Launch eines Komplementärduftes sinnvoll. Auf Boss folgte Boss Woman, auf Laura Biagiotti Roma eine Version für Männer. Somit erhält man den Geruch des Partners ohne sich als gender bender zu fühlen.

Damit niemand in der Öffentlichkeit unangenehm auffällt, muss aber der Komplementärduft auch anders riechen als das Original. Boss Woman ist ein Damenduft und riecht weiblicher als der Herrenduft. Der Effekt des Stibitzens des Parfüms des Partners bleibt also aus. Vielleicht greift man weiterhin am eigenen Flakon vorbei zu dem des Partners.