10. September 2007

Väterchen


Von den meisten männlichen Kollegen in meinem Alter unterscheide ich mich dadurch, dass ich mich noch nicht vermehrt habe. Es folgen drei Beispiele für junge Väter beim Kölner Traditionsunternehmen: Honko, Laberbacke und grobe fahrlässige Tötung.

Honko ist 24 und hat ein Drogenproblem. Er kommt auf Extasy zur Arbeit und schmeißt auch in den Pausen. Er arbeitet wie Scheiße. Am Freitag haben er und ich alternierend am Packtisch gearbeitet. Jedesmal wenn ich wieder dran war, lag alles in Trümmern. Die alten Kolleginnen waren in Aufruhr und beklagten sich, nicht mit Material versorgt worden zu sein. Es herrschte Unordnung. Alle Vorräte waren aufgebraucht. Irgendwann wurde er an einen Platz gesetzt wo er weniger störte. Beim ersten Zusammenarbeiten sage ich auf Anfrage, was ich studiere. Honko erwidert er studiere "Muschis". Er schreit sein Studienfach durch die ganze Halle und lacht dabei laut. Die anderen gucken. Sein Studium hat ihn vor einem Jahr zum Vater gemacht. Er hat keine Ausbildung. Er arbeitet bei einer Zeitarbeitsfirma, die ihn wahrscheinlich bald rausschmeißt und muss für ein Kind aufkommen. Er sieht seinen Sohn zweimal in der Woche. Jedesmal wenn er ihn abholt, denkt er daran die Mutter umzubringen.

Mit Laberbacke zusammen zu arbeiten ist eine Katastrophe, weil er ununterbrochen redet. Er hört auch nicht auf, wenn man wegschaut oder anfängt vor sich hin zu singen. Laberbacke weiß seit Donnerstag, dass er Vater wird. Am Freitag erzählt er es uns in der Pause. Einige lachen ihn aus. Laberbacke wollte eigentlich zur Love Parade, hat dann aber, wie er sagt, seine eigene Love Parade zu Hause gemacht. Das Ergebnis ist noch nicht auf dem Ultraschall zu sehen aber ansonsten ziemlich sicher. Honko fragt, ob denn bei der Home Love Parade auch Liebe im Spiel gewesen sei. Laberbacke antwortet, das Mädchen sei "ganz nett". Wenn er es sich schon nicht vorstellen kann mit ihr zusammen zu sein, so will er doch mehr sein als ein nur zahlender Vater. "Mehr" ist Honko schließlich auch. Zum Glück hat er eine Festanstellung. Jetzt denkt über eine größere Wohnung nach.

Grobe fahrlässige Tötung ist so alt wie ich und hat vor sieben Jahren einen Menschen überfahren. Sein Name entspricht dem Urteil des Richters, seine Stimmung auch. Er beklagt sich über das Leben im allgemeinen und seinen Absturz. Er nervt. Er redet wirres Zeug. Er spricht von Studenten von denen er sich "distanziert" hat, angeblich weil er keine Lust auf Sex and Drugs hat. Andererseits unterhält er sich mit Honko über unterschiedliche Sorten Extasy. Zudem ist er sich nicht über den Unterschied von Ausbildung und Studium im klaren. Kann ihm aber auch egal sein, ihm fehlt schließlich beides. Voll Pathos erläutert er mir seine häusliche und finanzielle Situation: "Ich habe Frau und Kind zu versorgen." Vor zwei Jahren hat er geheiratet, seit einem Jahr ist er Vater. Ich frage ihn, wie es so ist ein Kind zu haben. Ich kann es mir schließlich schlecht vorstellen. Zunächst beklagt er sich über die Schwierigkeit seiner Situation, dann sagt er sein Sohn sei die Plackerei beim Kölner Traditionsunternehmen wert. Wie auch immer, die Plackerei ist für ihn zunächsteinmal vorbei. Die Kölner Traditionsfirma hat grobe fahrlässige Tötung bei der Zeitarbeitsfirma abgemeldet. Mehr Zeit für Vaterfreuden und wohl auch für Extasy.

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