2. August 2007

Der Eindringling


Eigentlich gehöre ich nicht hierher. Ich habe Abitur und hier sind nur Leute mit Hauptschulabschluss oder ganz ohne Abschluss. Ich bin eigentlich noch viel fremder hier, denn ich bin seit ein paar Wochen Akademiker. Auch wenn ich mich noch nicht daran gewöhnt habe, seit kurzem darf ich ein M.A. mit meinem Namen führen.

In einer kleinen Pause während der Prüfungszeit kam die Frage nach dem danach. Ich entschied ersteinmal zu jobben um für die Erfüllung meines Theatertraumes - genauergesagt für weitere Schritte dahin - eine finanzielle Basis zu haben. Irgendwann wird das Theater mir Geld geben für meine Arbeit, aber ersteinmal muss ich dem Theater meine Arbeit schenken; so scheint es jedenfalls. Mich weiter voll von meinen Eltern unterstützen lassen, kann und will ich nicht. Ich habe zwei Geschwister. Mein jüngerer Bruder arbeitet und wird seit Jahren nicht mehr unterstützt.

Qualifizierte Arbeit schien schwieriger zu bekommen zu sein als unqualifizierte. Zudem wollte ich direkt fulltimen, was nicht immer möglich ist. Von der unqualifizierten Arbeit viel Kellnern flach wegen des schlechten Geldes und er zunächst geringen Stundenzahl. Also blieb die Industrie. Bei den sechs größten Kölner Unternehmen beworben, bei dem Traditionshersteller von Parfüms genommen. Neuneurozwanzig normal, bei Nachtschicht plus dem gesetzlichen Zuschlag von fünfundzwanzig Prozent.

Niemand hier kann sich etwas unter einem Studium vorstellen und ich versuche es nicht zu erklären. Wenn das Wort "Schule" fällt, korrigiere ich: "Uni". Das wars.

Dass ich einen Abschluss habe, verschweige ich vollends. Ich will den steuerlichen Vorteil des Studentenstatus, der meine Beschäftigung hier ermöglicht, nicht riskieren. Das hat zur Folge, dass ich mich beständig kleiner mache als ich bin: Ich bin eigentlich einen Schritt weiter als ich zugebe. Eine seltsame Verrenkung.

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