5. Oktober 2007

Klauen


"Bring die Flaschen da rüber," sagt eine Vorarbeiterin und zeigt auf zwei Flakons Puma Red Woman, die die Maschine seitlich ausgespuckt hat. Die Zerstäuber sind nicht festgeschraubt, ansonsten sind sie okay. Ich gehe in Richtung des Kollegen, der die Flakons wieder in die Maschine stecken wird. Beim Fixieren der Zerstäuber steigt mir der Duft des Parfüms in die Nase. Ihr bleibt bei mir. Ich umfasse die Flaschen und schaue mich um. Das merkt keine Sau. Meine Hand rutscht in Richtung Kitteltasche, hält dann aber inne. Scheiße, ich bin doch kein Dieb. Ich gehe schneller und knalle dem Kollegen die Flaschen hin. "Die sind in Ordnung. Die können weiter verarbeitet werden." Er schaut mich groß an: "Weiß ich doch."

Ich schaffe es in neun Wochen Parfümfabrik nicht etwas mitgehen zu lassen. Ich tröste mich über mein Versagen mit dem Gedanken, dass ich es bin, der diesem Scheißjob ein Ende setzt und nicht ein Sicherheitsmann. Am ersten Tag bekomme ich von solch einem Sicherheitsmann eine Einweisung. Dazu gehörte auch der Hinweis auf Diebstahl: "Unsere Produkte sind klein und teuer. Wir sind uns dessen bewusst und kontrollieren regelmäßig." Rauswurf und Anzeige sind die Konsequenzen für einen gefassten Dieb.

Mit der Übernahme von Muelhens durch Procter & Gamble wurden die Kontrollen verschärft. Regelmäßige Ebay-Verkäufer von Parfüm entpuppten sich als Mitarbeiter aus der Produktion. Linienarbeiter, Techniker und sogar Vorarbeiter verloren ihren Job. Das häusliche Lager einer Vorarbeiterin enthielt fast das ganze Sortiment. Dem Unternehmen gelang es zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Der Schwarzmarkt für Muelhens Produkte wurde eingeschränkt und der Bestand an festangestellten Mitarbeitern reduziert.

Während das große Geschäft mit dem geklauten Parfüm vorbei ist, geht die kleine Bereicherung auf Kosten des Unternehmens weiter. Zum Schichtende finden manchmal Kontrollen am Ausgang statt. Dabei werden aber nur Taschen und Rucksäcke kontrolliert. Am Körper kann man ohne Probleme ein oder zwei Flakons herausschmuggeln.

Die Hinweise von Kollegen bezüglich des Klauens sind wenig moralisch: "Lass dich nicht erwischen," sagt einer. David wird spezifischer: "If you steal something, don't take body lotion. Take something nice." Er hat nur ein einziges Mal geklaut, als wegen eines Engpasses im Pariser Werk Gucci für kurze Zeit in Köln produziert wurde. Ein anderer Kollege ist weniger wählerisch. Zum Ende jeder Schicht verabschiedet er sich mit einer Flasche Duschgel und den Worten: "Ich geh jetzt duschen." Es gibt tatsächlich eine Dusche im Werk, aber diese benutzt er nicht. Er verkauft das Gel - Ladenpreis 15 € - in Luxemburg auf einem Flohmarkt.

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